Die Schmerzen weichen langsam aus meinem Körper. Die Freude über das Ergebnis ist ungebremst hoch, nur langsam kann ich es fassen. Der Ironman Hamburg ist Geschichte. Die gute Nachricht ist, die Langdistanzpremiere als Triathlon ist noch offen und das Inhaltsverzeichnis des Drehbuchs wird gerade geschrieben.
Bevor ich zum eigentlichen Bericht komme, muss ich ein paar Danksagungen loswerden.
Als erstes an meine Familie, die mich in allen Situationen ertragen musste. Danke für die alltägliche Hilfe, sei es das Wäschewaschen oder Essen kochen.
Danke an meinen Trainer Swen Sundberg, der mich optimal auf dieses Event vorbereitet hat.
Danke an die Familie Jahn, die mich am Wettkampfwochenende betreut und beruhigt hat.
Danke an Volker, der mir viele Ra(d)tschläge erteilte und für die vielen abwechslungsreichen, langen und guten Gespräche auf den langen lockeren Touren, sowie für die Aerolaufräder. Die sind der Hammer.
Danke an die Schwimmgruppe Block 8. Danke an alle weiteren Trainingspartner, die bei Lauf-, Schwimm-, Kraft- und Radeinheiten mein Projekt unterstützten.
Danke an meine Sponsoren, dem Bikestore.de , Radladen in Hassfurt für das unglaublich schnelle Giant Trinity.
Zoot(sport) für die wahnsinnig schnelle Wettkampf- und Trainingsbekleidung. Der Trisuit ist wie eine zweite Haut und irre schnell.
Belsana Sport für die Ausrüstung an Kompressionsstrümpfe und Triathlontubes zur Regeneration und Belastung.
NeproSport für die unglaublich gute Energie- und Nährstoffversorgung.
Danke an Bodo Dresel für das optimale Bikefitting.
Danke an alle Weiteren, die mein Projekt in irgendeiner Weise unterstützt haben.
Ein riesengroßes Dankeschön natürlich an alle Initiatoren und alle Helfer an der Strecke. Ihr wart wunderbar. Eure Begeisterung hat sich auf das Rennen und die Zuschauer übertragen.
Der Kopf entscheidet über Sieg oder Niederlage.
Als ich am Freitagmorgen im ICE nach Hamburg saß, kam die offizielle Nachricht, dass das Schwimmen aufgrund der erhöhten Blaualgenkonzentration abgesagt werden musste und der Ironman zu einem Duathlon wurde. Da ich weder einen LangdistanzTria, noch einen Langdistanzduathlon absolviert hatte, war mir das ziemlich egal und ich blieb entspannt.
Angekommen in HH begab ich mich direkt zum Rathausplatz auf dem die Registration und Messe war. Im Zoot-tend traf ich noch einige Zooter und im Anschluss liefen wir zum Theater am Großmarkt, wo das Race-Briefing stattfand.
Nach der Pastaparty ging es mit der S-Bahn nach Blankenese zum Campingplatz. Dort wartete Familie Jahn mit dem Zuhause der nächsten Tage.
Die Samstagseinheit auf dem Zeitfahrrad war ein spektakuläres Ereignis, denn auf der B431 feuerte der Wind einige Böen auf mich ab und sorgte dafür das der Adrenalinspiegel ans Limit pushte.
Im Anschluss packte ich meine Sachen und fuhr zum Bike-Check-In an den Jungfernstieg.
Dies sollte der schnellste und unkoordinierteste Check-In sein, den ich bis dahin ausgeführt habe.
Blitz, Donner und Starkregen riefen zu einem unfreiwilligen Intervalltraining in der Wechselzone auf.
Völlig durchnässt erreichte ich das Zoot(tend) auf der Messe in dem Tim, Mirko und einige Zoot-Athleten wartenten. Nachdem Gewitter und des einhergehenden Temperatursturzes, war es eine angenehme Nacht im Wohnmobil. Mein Fauxpas bleibt unter uns Udo :)
Swen gab mir für den WK die letzten Informationen und schickte mich per Telefon ins Bett.
3 Uhr morgens die Werksirene dröhnt… Ihr wisst wie es weiter geht… Geschlafen hatte ich kaum.
1000kcal sollten jetzt den Weg in meinen Körper finden. Lecker. Essen ist eh Sportart Nummer 5, nach Schwimmen, Radfahren, Laufen und Wechseln.
4:17 Uhr Aufbruch zum Jungfernstieg mit Udo. Auf dem Weg in der S-Bahn der Schreckmoment. Der Trisuit und meine Laufsocken liegen noch im Wohnmobil. Schockstarre!!! Zum Umdrehen keine Zeit.
Ich erinnerte mich vage, dass ich am Vortag noch die Szenen vom IM Frankfurt, als Andi Böcherer, aufgrund eines kaputten Reisverschlusses das Rennen vorzeitig beenden musste und somit hinterlegte ich meinen Sturzsuit von Gera im Bike-Beutel, welcher in der Wechselzone hing.
Zootsuit an und ab zum Einlaufen. Zusammen mit Tim Don und Katharina Grohmann lief ich mich in einer Nebenstraße warm. Das ist das Schöne am Triathlonsport. Stars zum Anfassen.
Pünktlich um 7 Uhr erfolgte der Profistart der Herren und zwei Minuten später durften die Profidamen auf die Strecke. Zu diesem Zeitpunkt positionierte ich mich in die dritte Reihe für den Rolling-Start der Agegrouper oder auch Altersklassenathleten genannt.
7.10 Uhr erfolgte der Startschuss und es wurden im 5 Sekundentakt die Triathleten, äh Duathleten auf die Strecke gelassen. Mit einer 4:05 Pace lief ich entspannt die 6km. Hier wurde ich schon von einigen Startern überholt. Hier nicht mitzugehen und bei mir zu bleiben, war sehr anstrengend. Ich sagte mir ständig „Der Tag ist noch lang. Wir sehen uns wieder“.
Angekommen in der Wechselzone musste ich schon dringend aufs Dixie, denn die Blase war voll.
Einige Sekunden gingen hier wohl schon flöten. Mein Körper war danach aber gut entspannt, sodass ich gut auf´s Rad kam.
Erstmal gut verpflegen war die Devise und zu einer Gruppe aufschließen, der ich erstmal im erlaubten Abstand einige Kilometer folgte. Meine energiestrotzenden Beine vermittelten mir weiter Gas zu geben. So überholte ich diese Gruppe und schloss zur nächsten auf. Hier das gleiche Prozedere und ab ging´s vorbei. Mit durchschnittlich 230 W fuhr ich an eine Gruppe heran, die meines Erachtens einen guten Schnitt fuhr und blieb dran. Ab und an übernahm ich Führungsarbeit und lies mich dann wieder fallen. Mit zunehmender Renndauer wurde die Gruppe immer unruhiger und das Fahrverhalten einiger Athleten war grenzwertig. Es wurde immer wieder Windschatten gefahren und blockiert. Von einem KaRi (Kampfrichter) war nichts zu sehen. Hier hätten wohl schon die ersten Zeitstrafen erfolgen müssen. Ich wurde zunehmend gestresster aufgrund dieser Thematik, da auch ich durch die Vorgänge immer wieder in den Windschatten geriet. Eine Zeitstrafe wollte ich unbedingt vermeiden. So entschied ich mich einen Ausreißversuch zu starten. Dieser Missglückte jedoch, da sich 2 Fahrer im erlaubten Abstand an mein Hinterrad klemmten und somit die Gruppe wieder schloss. Ausreißversuch Nummer zwei, circa 15min später, sah erst nach einem Erfolg aus. Aber auch dieser scheiterte, weil zwei Fahrer den Drang verspürten mich wieder einzuholen. Ich glaube die neonleuchtenden BelsanaTubes waren eine gute Orientierung.
Zurück in der Gruppe passierte der gleiche Mist. Ständiges Überholen und Windschattenfahren von der feinsten Sorte. Wieder war weit und breit kein KaRi zu sehen. Die hatten wohl Kaffeepause.
Der Wunsch mein eigenes Rennen zu fahren war so groß und so nutze ich einen leichten Anstieg mit Gegenwind für meinen dritten Ausreißversuch. Beherzt trat ich voll an und überholte aus zweiter Gruppenposition. Der Fahrer hinter mir rechnete wohl nicht damit und verschlief diese Situation. Auch der Gruppenführer war überrascht, wollte jedoch dranbleiben.
10-15 min trat ich 30Watt mehr als geplant. In meinem Kopf fing jetzt das Gedankenkarussell an, sich flott zu drehen. „War das die richtige Entscheidung? “ „Kannst du das durchhalten?“ „Christian du musst noch den Marathon laufen!!!“
Mit jeder Kurbelumdrehung erhöhte sich das Brennen in Oberschenkeln. Nach einer Zeit blickte ich mich kurz um und konnte feststellen, dass die Gruppe weg war. Einige hundert Meter vor mir erspähte ich zwei Fahrer und ich entschied mich bis zu Ihnen die Mehrleistung aufzubringen. Ich fuhr an beiden vorbei mit der Information eine Gruppe zu bilden. Beide nickten und blieben dran. So
leistete ich hier 5 km Führungsarbeit. Die anderen Beiden im erlaubten 12m Abstand. Als ich die Führungsarbeit abgeben wollte, bemerkte ich, das nur noch ein Fahrer anwesend war. Cornelius schien gut drauf zu sein und zögerte keine Sekunde, um an mir vorbei zu fahren und Führungsarbeit zu leisten. Im stetigen Wechsel und im ERLAUBTEN Abstand konnten wir eine gute Pace fahren. Zu meinem Erstaunen begleitete uns beide aufmerksam ein KaRi-Motorrad, das circa 15min hinter uns herfuhr und uns beobachtete. Ein Witz fand ich und dachte sie sollten mal weiter hinten nachschauen.
20km vor der Wechselzone konnte Cornelius das Tempo nicht mehr mithalten und ließ abreißen. Allein auf weiter Flur, fuhr ich die vorgegeben 230W weiter. Erst 10km vor dem Wechsel nahm ich Tempo raus und veränderte die Trittfrequenz nach oben, um die geschundene Muskulatur gut zu durchbluten und für den anschließenden Marathon vorzubereiten.
Angekommen in der Wechselzone musste ich zweimal auf mein Garmin schauen, denn mit 4:32 h hatte ich wahrlich nicht gerechnet. Ungläubig lief kurz die Zeit an mir vorbei und schon wäre es fast passiert. Gerade noch rechtzeitig fand ich den Eingang in die Wechselzone und ein Crash konnte gerade so vermieden werden.
Leichtfüßig ging es zum Fahrradplatz. Aufgrund der erhöhten Wasser- und Energieaufnahme drückte der Inhalt mächtig auf meine Blase und bereitete mir stechende Schmerzen. Ein Gang auf´s Dixie war unvermeidlich. Ich rechnete mit 30 Sekunden. Als nach gefühlten 3 min der Brunnen immer noch Wasser führte, sah ich meinen Vorsprung auf die Gruppe schwinden. Die zweite Wechselzeit mit 4:46 min ist definitiv zu lang. Die Erleichterung war aber sofort spürbar und ich konnte wieder gut und vor allem schmerzfrei laufen.
Nach Absprache mit meinem Trainer Swen sollte ich nicht zu schnell anlaufen. Dies versuchte ich so gut es ging einzuhalten. Der gesamte Marathon war reine Kopfsache. Ich erinnerte mich ständig daran kontrolliert zu laufen. Das Mantra „du bist stark genug“ half über die ersten 10km, die leicht aus den Beinen gingen. Auch in Laufrunde zwei konnte ich stabil laufen. Hier meldete sich kurz die Oberschenkelrückseite. Diese Schmerzperiode konnte ich ausblenden, denn ich dachte Swen, der zu mir vorher sagte: „Es wird dir so schlecht gehen, aber egal wie du dich fühlst, du läufst weiter“ „Es kommt der Punkt, da wird alles wieder besser“ und so war es tatsächlich. Zudem sah ich meine Freude, die Jahns, jede Runde, die mich lautstark anfeuerten. Dies gab mir zusätzlich Kraft. Meter um Meter spulte ich ab und konnte mein Tempo unterhalb der 5min Pace gut einhalten. An zwei Verpflegungsstationen auf den letzten beiden Runden war so viel Andrang, dass ein Durchkommen, wie ich es die beiden Runden zuvor gewohnt war, nicht möglich machte und ich hier Zeit verlor.
Als ich zum dritten Mal über den Rathausplatz lief, nullte ich innerlich die gelaufenen Kilometer ab und versprach mir einen lockeren Zehner zu laufen. Meine Gedanken waren stets positiv und ich dachte an alle Personen, die mich in irgendeiner Form bei meinem Projekt unterstützen. Ich stellte sie mir als fliegende Helfer vor, wie sie mir unter die Arme griffen und mich anschoben.
3 Kilometer vor der Finishline realisierte ich erst, dass es möglich war hier zu finishen. Von einer Sekunde zur anderen merkte ich keine Schmerzen mehr in meiner rechten Wade, die kurz vorm Zugehen war. Enthusiastisch erhöhte ich nochmal das Tempo auf eine 4,15er Pace bis zum Ziel.
Was auf den 100m der Finishline passiert entzog sich mir vollends. Im Endorphinrausch raste ich über den roten Teppich und sah die Siegerin der Pro-Damen, Sarah Crowley, die ihre Hand herausstreckte.
Das dies Michael Raelert galt, habe ich nicht wahrgenommen. So nahm ich ihre Hand und gratulierte ihr für ihren Sieg und umarmte sie. Es war geschafft. Innerhalb von Bruchteilen merkte ich was passiert war und sackte in mich zusammen und fiel auf den roten Teppich. Tränen liefen an meiner Wange herunter. Meine Endzeit von 8:24h kannte ich bis dato noch nicht. Diese teilte mir Udo erst auf den Weg zum Athletengarten mit.
Wenn ihr bis hierhin gelesen habt, kann es nicht so schlecht geschrieben sein.
Das Projekt Ironman-Triathlon geht auf jeden Fall in die erste Runde, denn der Duathlon bekommt seinen eigenen Status. Hamburg du warst GROßARTIG!
Zum Abschluss: Das Foto mit Sarah und Michael beschreibt wohl sehr gut, wie nah beieinander auf einer Langdistanz, Erfolg und Scheitern ist. Michael Kopf hoch, das nächste Rennen wird eine neue Geschichte. Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit.
Christian