Al Marmoom Ultramarathon Dubai

Gespeichert von Michaela Rümmer am/um So., 20.02.2022 - 18:41
Datum

In Dubais Dünen
Am 10.02.2022 landete ich früh um 6:30 Uhr (Ortszeit) nach 6 Stunden Flug in der Stadt der
Superlative - Dubai.
Dubai-Stadt ist einfach mächtig, opulent, luxuriös und clean. Eine wahre Scheinwelt, mit hohen,
glänzenden Fassaden in extravaganter Architektursprache. Aufpolierte Luxus-Karren rasen mit fetten
Sound über die Sheikh Zayed Road, der 12-spurigen Hauptverkehrsader.
Das ist Dubai-Stadt im Emirat Dubai am persischen Golf. Aber deswegen war nicht dort, sondern um
beim Al Marmoom Ultramarathon 50 km durch die Wüste zu laufen.
Das Al Marmoom Reservat ist das größte, nicht eingezäunte Naturschutzgebiet der vereinigten
Arabischen Emirate.
Samstag früh um 3.00 Uhr weckte mich der Wake-up call der Rezeption meines Hotels. Dann machte
ich mich fertig und packte meine Sachen.
Um 4.00 Uhr startete mein Wüstenabenteuer mit der Taxifahrt zum Expo Lake parking, zum Start des
Al Marmoom Ultramarathons.
Nach ca. 50 Minuten Fahrt auf den mega breiten Straßen stadtauswärts, zeigte ein Schild nach
rechts, Richtung „Expo Lake parking“. Das Taxi bog ab und blieb abrupt stehen. Der Fahrer fragte nur
„oh my god, what is this?“ - Sandpiste! 15 km Sandpiste um genauer zu sein.
Der Fahrer hat mich sicherlich innerlich nicht nur einmal verflucht und nach jeder weiteren Kurve und
nach jedem weiteren Schlagloch habe ich nur gehofft, dass er nicht streikt und mich hier in der
dunklen Pampa einfach aussetzt.
Von weitem war ein Flutlicht zu erkennen. Zum Glück, er fuhr mich bis zum Start.
Ab 5.00 Uhr erfolgte die Registrierung und Startnummern Ausgabe. Das ging ganz fix. Dann hieß es
warten bis zum Startschuß. Es war verdammt kalt in der Wüste. Ich hatte zwar glücklicherweise eine
Jacke dabei aber leider hatte ich nur meine kurze Laufhose an. Also wickelte ich mir mein Handtuch
um die Beine und wartete mit den anderen Läufern zusammengekauert auf einem Teppich unter
einem Pavillon bis zum Sonnenaufgang.
Pünktlich um 6.45 Uhr fiel der Startschuß und die 120 Ultraläufer stürmten los. Die Strecke führte
sofort mitten hinein in die Dünen, durch weichen Sand, sodass die Füße sofort darin versanken.
Nach den ersten 5 km und bereits jetzt schon unzähligen Dünen rauf und runter, war mir klar: „
Wenn die Strecke so bleibt, halte ich dies keine weiteren 45 km aus.“ Bereits jetzt hatte ich das
Gefühl, als ob sich beide Achillessehen gleich vom Fersenbein lösen würden. Mein Laufstil, insofern
man das so nennen konnte, ähnelte einem hinkenden Piraten mit 2 Holzbeinen. Es war eher ein
dahin stolpern, entweder man versank mit beiden Füßen bis zu den Knöcheln im Sand oder es lagen
noch fiese Steinbrocken auf dem Sand über die man noch zusätzlich stolperte und dann im Sand
versank.
Ach und nicht zu vergessen: „Düne rauf, Düne runter, Düne rauf, Düne runter, ….“

Spätestens jetzt war mir klar, dass Wüste nicht gleich Wüste ist. Da war der Lauf in der tunesischen
Sahara hier hingegen eine wahre Wohltat.
Das Läuferfeld hatte sich schon jetzt stark auseinandergezogen und ich lief weitestgehend allein.
Die Kilometer zogen sich wie Kaugummi. Ich dachte meine Uhr habe Sand im Getriebe, weil der
ersehnte Piep-Ton der jeden gelaufenen Kilometer signalisierte, nicht zu hören war.
Aber nein: „immer noch 600 m bis zum nächsten Kilometer.“
Nach 10 km erreichte ich den ersten Verpflegungspunkt. Ein einzelner Junge stand mit einer Kühlbox
voller kleiner Wasserflaschen mitten in der Wüste und reichte jedem Läufer die Fläschchen. Ich blieb
kurz stehen und füllte meine Softflasks auf. Dann trabte ich weiter und kippte, bereits wieder im
Laufen, mein Elektrolyte Pulver hinein.
Die anfänglichen kühlen Temperaturen waren nun vorbei. Die Sonne stand mittlerweile hoch oben
am Himmel und präsentierte sich von ihrer besten Seite. Jedes noch so laue Lüftchen tat gut. Es war
heiß. Gefühlt nuckelte ich ununterbrochen im Wechsel am Schlauch meiner Trinkblase und an
meinem Elektrolyte-Cocktail. Ich schwitzte. Der Schweiß verdunstete. Zurück blieb salzige,
brennende Haut und dicke Arme. Meine Finger konnte ich kaum mehr bewegen, durch die Hitze
waren diese bereits bis aufs Doppelte angeschwollen.
Egal, ich trabte weiter vor mich hin. In der Ferne sah ich einen Läufer, der wie ich, mal lief, mal ging.
Ihm ging es wohl ähnlich wie mir. In der Mittagssonne, wurden gefühlt, die Laufphasen immer kürzer
und die Abschnitte des Gehens immer länger. Gefühlt wurden auch die Dünen immer höher und
steiler. Ein Schritt hoch, zwei zurück. Das wiederholte sich, so lange, bis ich oben angekommen war.
Es tat weh. Es war hart. Ich fluchte.
So paradox es auch sein mag, aber genau das ist es, was einen Wüstenlauf für mich ausmacht.
Die Herausforderung mit der extremen Hitze, dem anspruchsvollen Untergrund und natürlich auch
der Kampf mit mir selbst.
Ich atmete durch. Konzentrierte mich auf das hier und jetzt und setzte einen Fuß vor den anderen
und überzeugte mich, dass ich nur so am Ende des Tages mein Ziel erreichen kann.
- Inshallah – („so Gott will“)
Nachdem ich mich mental auf diese anspruchsvolle und zugleich faszinierende Umgebung
eingelassen hatte, spürte ich eine unglaubliche Dankbarkeit. Auch wenn jede Düne alle meine
körperlichen Kräfte forderte, wurde ich oben auf dem Dünenkamm jedes Mal auf´s neue mit einem
Ausblick auf eine einzigartige Wüstenlandschaft belohnt.
Eingetaucht in einer Welt von Gedanken lief ich durch die endlose Weite dieser magischen
Landschaft. Das wunderschöne Wellenmuster, das der Wind in den Sand gemalt hatte, zauberte mir
ein Lächeln auf die Lippen. Der feine Sand, der wie ein Schleier vom Wind über die weichen Konturen
der Dünen getragen wurde, ließ die Spuren der anderen Läufer schnell verblassen, sodass ich meine
Fußabdrücke im unberührten Sand hinterlassen durfte.
Vergnügt beobachte ich eine Oryxaantilope die meinen Weg kreuzte um sich wahrscheinlich vor der
extremen Mittagshitze zu verstecken. Ich lief weiter von Flagge zu Flagge, die mir die Richtung wiesen. Aber den Weg dahin musste ich mir selbst suchen. Dabei lief ich in meinem eigenen
Rhythmus, unterstützt von meiner eigenen Motivation.
Tief versunken in meinen Gedanken kam ich am letzten Verpflegungspunkt an. Der Helfer, sagte nur:
„You are almost at home.“ Auch wenn das Ziel noch nicht in Sicht war, war es doch spürbar.
Jetzt war mir klar: „Ich habe den Kampf gewonnen!“ Mit Stolz und Demut lief ich die letzten
Kilometer. Hinterließ meine letzten Spuren im Sand und überquerte die letzten Dünen.
Aus der Ferne konnte ich den mit Bäumen umsäumten Expo Lake erkennen. Ich steuerte mit meinen
letzten Kräften auf den Zielbogen zu und überquerte nach 7 Stunden und 35 Minuten völlig erschöpft
aber unendlich glücklich die Ziellinie. – Mashallah- („Gott wollte es“)
Auch meine Spuren sind heute weggeweht, doch die Erinnerungen an dieses Wüstenabenteuer
werden bleiben.
Silke Leikheim