Niemand hat die Absicht 100 Meilen zu laufen – doch!
Es gibt wohl kaum einen anderen Lauf entlang einer ähnlich geschichtsträchtigen Strecke wie den Mauerweglauf. Die 100 Meilen Strecke führt die Läuferinnen und Läufer entlang der ehemaligen Grenze zwischen Ost und West um das ehemalige West-Berlin. Für mich stand der Lauf schon lange auf meiner Wunschliste.
Am Donnerstag ging es ans Packen und es war nicht einfach! Was soll mit, auf was kann ich verzichten? Was soll in die Drop Bags? Mit einer vollen Reisetasche fuhr ich am Freitagmorgen nach Berlin. Vom Hauptbahnhof ging es gleich zum Alexanderplatz weiter, um die Startunterlagen zu holen. Alles ging schnell, die Startnummer und die Beutel waren schnell geholt. Als erstes Highlight gab es für alle Starterinnen und Starter ein Mauerstück. Genial!
Start in der Stadt
Pünktlich um 6 Uhr morgens fällt der Startschuss und die Läuferinnen und Läufer verlassen nach einer Ehrenrunde das Stadion und biegen auf die Bernauer Straße ein. Die Strecke führt uns entlang der Mauer und an der Gedenkstätte Berliner Mauer vorbei. Nach ein paar Abzweigungen erreichen wir den ehemaligen Grenzturm mit der Gendenkstätte Günter Litfin, der am 24. August 1961 an der Mauer starb. Vorbei am Hauptbahnhof, Reichstag und Brandenburger Torlaufen wir zum Checkpoint Charlie, wo nach knapp 9 km die erste Versorgungsstation aufgebaut ist.
Auf den nächsten Kilometern stellt sich immer wieder die Frage, wie hat das alles vor etwas mehr als 30 Jahren ausgesehen, als die Mauer noch stand? Ein Band aus Pflastersteinen zeigt zwar den Mauerverlauf, aber so richtig vorstellen ist schwer. Bei km 13 erreichen wir die East Side Gallery, einen sehr beeindruckenden Abschnitt entlang der ehemaligen Mauer. An der Grenze zwischen Neukölln und Treptow laufen wir in den Süd-Osten Berlins bis wir bei km 29 das Denkmal zu Ehren Dieter Bergers erreichen, der 1963 an der Mauer erschossen wurde und dem der diesjährige Mauerweglauf gewidmet ist.
Im Süden Berlins
Nach über 30 km fühle ich mich noch sehr gut, die Beine sind locker und es läuft sehr gut. Wir haben nun tatsächlich eine erste Steigung zu absolvieren! Wir laufen, nein wir gehen auf den 86 Meter hohen Dörferblick. Im Süden sehen wir Felder und den Flughafen Berlin-Brandenburg, im Norden zeigen sich in weiter Ferne die Hochhäuser Neuköllns.
Der südliche Teil der Strecke ist durch viel Wald geprägt und somit auch vielen schattigen Passagen. Bei den Temperaturen ist dies auch gut so! Teilweise schöne, kleine Birkenwälder, durch die schmale Pfade führen, teilweise größere Waldstücke mit älterem Baumbestand. An der Kreuzung mit der B101 sind die ersten 50 Kilometer gelaufen – nur noch 110 Kilometer. Über Seehof, durch das die Mauer lief und dem Teltowkanal geht es zur ersten Wechselstation bei km 59. Nach einer kurzen Pause laufe ich weiter und die Strecke führt uns zwischen Zehlendorf und Kleinmachnow weiter Richtung Potsdam. Über den Königsweg laufen wir bis Griebnitzsee, etwa auf halber Strecke überqueren wir dabei die A115 am Kreuz Zehlendorf mit dem ehemaligen Grenzübergang Dreilinden.
Im Ort angekommen erreichen wir bei Kilometer 72 die Versorgungsstation 11 an der Gedenkstätte, wo noch Mauerreste stehen. Entlang kleinerer Straßen, häufig mit Kopfsteinpflaster geht es parallel zum Wasser weiter zur Glienicker Brücke. Am Ufer laufen wir weiter zum Brauhaus Meierei, das wir bei km 79 erreichen. Inzwischen sind 8:44 Stunden seit dem Start vergangen und ich bin auf Platz 5 in meiner AK.
Es folgt eine Runde um den Krampnitzsee und wir erreichen am Schloss Sacrow die zweite Wechselstation, bei der ich meine Ausrüstung für die Nacht deponiert hatte: Stirnlampe, Reflektorband, Mückenspray.
Durch die Nacht
In den Abend hinein und durch die Nacht ging es nun im Westen Berlins nach Norden. Es sollte der ruhigste und anstrengendste Teil der Strecke werden… Die Strecke führte uns entlang von Feldern und ein paar kleineren Waldstücken Richtung Wilhelmstadt. Irgendwo auf dem Weg musste ich kurz jubeln – 100 Kilometer sind geschafft! 11:34 Stunden bin ich nun unterwegs. Ab jetzt ist alles Neuland. Noch nie bin ich weiter als 100 Kilometer gelaufen.
An der Versorgungsstation Falkenseer Chaussee bei Kilometer 110 spürte ich, dass die Anstrengungen der letzten Stunden, aber es ging noch relativ gut. Durch den Spandauer Forst liefen wir nach Schönwalde. Schön langsam wurde es etwas dunkler und die Luft kühlte ab. Es war sehr angenehm zu laufen, wobei mein Tempo langsamer wurde. Es wurde anstrengender… An der Havel entlang liefen wir nach Nieder Neuendorf, wo direkt am ehemaligen Grenzturm eine weitere Versorgungsstation aufgebaut war. 123 Kilometer war ich inzwischen gelaufen, 15:12 Stunden unterwegs und auf Platz 4 in meiner AK.
Es dämmerte immer mehr, langsam wurden die Stirnlampen eingeschaltet und die Warnwesten angezogen. Bis Henningsdorf liefen wir am Wasser, wo der Versorgungspunkt 20 aufgebaut war. Inzwischen ist es dunkel geworden und ohne Lampe geht nichts mehr. Wir nähern uns der Marke von 130 km und bei der nächsten Versorgungsstation mache ich eine längere Pause und lege mich für eine halbe Stunde ab. Nach 133 Kilometern spüre ich inzwischen Schmerzen in den Beinen, vor allem mein rechtes Knie zickt. Über weite Abschnitte gehe ich nur noch, um die Belastung zu reduzieren.
Der Weg ins Ziel
Das Feld hatte sich inzwischen sehr weit auseinandergezogen und nur vereinzelt traf ich auf andere Läuferinnen und Läufer entlang der Strecke. An den Versorgungsstationen bildeten sich dann wieder Gruppen. Es folgten noch viele Abschnitte durch Wälder und über Wiesen, wo es in der Nacht doch recht kühl wurde. Dazwischen folgten kurze Abschnitte durch die Randgebiete Berlins.
Nach 20:24 Stunden erreiche ich bei Kilometer 148 die Versorgungsstation 24. Es sind nur noch 12 Kilometer! Das Ziel kommt näher, das schaffe ich! Das Knie schmerzt, an Laufen ist eigentlich nicht mehr zu denken, nur noch gehen. Die Zeiten für den einzelnen Kilometer sind zweistellig, aber ich werde es schaffen! Am ehemaligen Mauerstreifen zwischen Reineckendorf und Pankow laufen wir zur Heinz-Brandt-Straße und weiter entlang der Bahnlinie zur vorletzten Versorgungsstation am Bahnhof Wilhelmsruh.
Noch ein letzter Park mit einer Pause auf einer Parkbank, bevor die letzten Kilometer anstehen. Ich gehe an den Versorgungsstationen vorbei, will ins Ziel! Nahe der Bornholmer Straße queren wir die Bahngleise, laufen an der Station vorbei und über den Schwedter Steg in die Schwedter Straße. Nach einem kurzen Stück durch den Mauerpark und vorbei an der Max-Schmeling-Halle schwenken wir auf eine letzte Ehrenrunde im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark ein. Die Bahn ist bunt beleuchtet und ich nehme nochmal alle Kraft zusammen. Ich will laufend über die Ziellinie. Es gelingt mir auch und nach 22:56:39 Stunden erreiche ich als 106. Einzelstarter bzw. Einzelstarterin das Ziel! Ich habe es geschafft. Mein erster 100 Meilen Lauf ist geschafft!
Mein Resümee
Vor dem Lauf konnte ich mir nur schwer vorstellen, wie man 100 Meilen laufen kann. Aber es geht! Trotz der Probleme mit dem Knie lief es sehr gut und nach ein paar Tagen könnte ich mir die Distanz und auch den Mauerweglauf nochmal vorstellen. Vielleicht im kommenden Jahr, um die Strecke in anderer Richtung zu laufen…
Bernd
Weitere Berichte und Bilder zum Mauerweglauf:
- Bericht auf www.running-bernd.de/mauerweglauf
- Bilder bei Facebook