Mein Erster Marathon – Berlin, 16. September 2018
Am 30. November letzten Jahres erhielt ich die Nachricht, dass ich erfolgreich am Losverfahren teilgenommen hatte und einen Platz beim 45. Berliner Marathon erworben hatte. Es wurde also ernst – ich sollte meinen ersten Marathon laufen.
Lang habe ich das verdrängt. Ich war nicht sicher, ob ich mich drauf freue oder ob die Angst davor überwiegt. Aber irgendwann habe ich einen Trainingsplan ausgesucht und angefangen danach zu trainieren. Bei dem Wetter diesen Sommer hat es also viele frühmorgendliche Laufeinheiten bedeutet, was mich als Langschläfer am Anfang schwer fiel. Je länger ich aber nach Plan gelaufen bin, desto mehr hat es mir Spaß gemacht. Die langen Läufe am Wochenende musste ich selten allein laufen – meine Laufkumpels vom Verein haben mich gerne begleitet, wofür ich ihnen sehr dankbar bin.
Langsam habe ich mich mit der Vorstellung angefreundet, dass ich einen Marathon laufe. Wobei ich mich auch etwas unter Druck setzte, weil ich natürlich nicht einfach durchs Ziel kommen wollte, sondern auch in einer für mich akzeptablen Zeit – um die 4 Stunden. Meine größte Angst aber, war dass ich unter großen Schmerzen laufen müsste, da ich beim Training öfters Blasen an den Füssen und brennende Fußsohlen bekam. Ich konnte mich lange nicht entscheiden, welche Schuhe ich anziehen sollte um möglichst schmerzfrei durchs Ziel zu kommen. Am Samstag, 15. September fuhr ich also recht nervös mit dem ICE nach Berlin. Die Messe, wo man die Startunterlagen abholte, war dieses Jahr am alten Flughafen Tempelhof – also konnte man auch ein bisschen Sightseeing dabei machen. Vor dem Flughafen habe ich mich dann mit einer Freundin getroffen, die mitgefahren ist, um mich seelisch zu unterstützen – Support, Fan und Manager in einer Person. Vielen Dank an Geli – sollte sie das hier lesen!
Ausgeschlafen aber mit meckerndem Magen/Darm (welcher Läufer kennt das nicht?) ging es also am Sonntagvormittag Richtung Brandenburger Tor zum Start. In der U-Bahn waren fast nur Läufer – ich schaute mir um und merkte… oh nein! Ich hatte den Chip für die Zeitabnahme im Zimmer vergessen. Also schnell aussteigen und die zwei Stationen zurückfahren – zum Glück hatte ich genügend Zeit eingeplant. Trotzdem bei der zweiten Hinfahrt war der Zug deutlich leerer!
Als ich beim Reichstag ankam und die Massen von Menschen sah, habe ich trotzdem leicht Panik bekommen – ich wusste gar nicht, wo ich hin sollte. Das Areal ist riesig und am Anfang habe ich den Eingang zu den Startblöcken nicht gefunden. Na ja – man kann sich natürlich nicht verlaufen, man folgt einfach allen anderen Läufern. Jeder hat das gleiche Ziel. Und das Ziel war, glaube ich, die Toilette. Ich habe noch nie so lange Schlangen gesehen.
Der Start war in sieben Blöcken und vier Wellen aufgeteilt. Ich stand noch nicht im Startblock als die ersten Läufer um 9:15Uhr losliefen. Alle Erstmarathoni und Läufer mit einer Bestzeit von >4:15 starteten im letzten Block um 10.05Uhr. Als ich endlich loslaufen dürfte, war Eliud Kipchoge also schon fast bei km20!
Die ersten zwei Kilometer gehen an der Straße des 17. Juni entlang – hier hatte man genügend Platz sich zu sortieren. Es war dadurch viel leichter als ich erwartet habe, eine konstante Geschwindigkeit zu laufen. Das Wetter war perfekt – nicht zu warm für die Läufer und nicht zu kalt für die Zuschauer, die in Massen gekommen sind um uns anzufeuern.
Die Kilometer liefen auch viel schneller ab, als ich erwartete. An viel kann ich mich aber nicht mehr erinnern. Ich weiß, dass bei km30 der Gedanke kam, dass ich noch nie weiter gelaufen bin und war gespannt, wie mein Körper darauf reagieren würde. Und irgendwo zwischen Kreuzberg und Schöneberg war eine Videowand, wo ich von dem neuen Weltrekord (1:02:39) erfahren habe. Den Mann mit dem Hammer habe ich auch kurz auf dem Weg kennengelernt und bin ein paar Meter mit ihm gegangen. Aber ich habe irgendwie schnell neue Kraft hergezaubert und konnte mich auch schnell wieder von ihm verabschieden. Ich habe es geschafft, relativ konstant weiterzulaufen. Für die zweite Hälfte habe ich nur eine Minute länger gebraucht als für die erste Hälfte. Trotzdem musste ich spätestens bei km35 erkennen, dass ich die fehlende drei Minuten, die ich für Trink- und Gehpausen gebraucht habe, nicht mehr einholen würde und meine Traumzeit von unter vier Stunden nicht mehr erreichen würde.
Der Moment, wenn man um die Ecke zu Unter den Linden läuft und das Brandenburger Tor vor sich sieht ist traumhaft. Da wird man schon leicht emotional. Leider ist aber dort nicht das Ziel, wie ich gedacht habe, sondern erst fast einen Kilometer weiter!
Der Zieleinlauf werde ich nie vergessen: das erleichternde Gefühl über den Finisher-Teppich zu laufen… Aber dann bin ich mit dem Fuß irgendwie am Teppich hängengeblieben und bin hingeflogen. Schnell wieder aufgestanden und weiter gelaufen – nur um 10m weiter noch mal genau das Gleiche zu machen! Dann hat mir aber eine Mitläuferin gepackt und an der Hand genommen: wir laufen jetzt zusammen ins Ziel, damit du heil ankommst! So kam ich also nach 4 Stunden, 3 Minuten und 50 Sekunden mit brennenden Schürfwunden am Knie, an den Ellbogen und an den Händen durchs Ziel. Das Finisher-Video ist wirklich sehenswert!
Judith