feel it, fight it, finish it! # 845
Am 28.09.11 landete ich nach 21-stündiger Anreise in KailuaKona, auf Big Island/Hawaii. Die knapp zwei Wochen, die ich vor dem Rennen in Kona verbrachte, waren richtig cool. Frische Früchte vom Farmers Market, Radtraining auf dem Highway, Laufen auf dem Ali´i Drive, underpants run, Nationenparade, IRONMAN-Village und vor allem das Schwimmen im Pazifik, traumhaftes Wetter bei hochsommerlichen Temperaturen, da kann man sich nicht beklagen.
Die Registrierung am Dienstag und der check-in am Freitag verliefen recht zügig. Es ist unglaublich, welche Helfermassen sich zu diesem Event einfinden. Immer freundlich, hilfsbereit, stets ein offenes Ohr, zur Stelle, wenn man sie braucht - so kann man die Volunteers hier beim Ironman beschreiben. Wirklich toll!
08.10.11, 3:30 Uhr, der Wecker klingelt. It`s raceday. Noch nie hatte ich vor einem Wettkampf so gut geschlafen. Diesmal war es mir offensichtlich gelungen,
die Lockerheit zu wahren, die mir in den Tagen vorher so oft angeraten wurde. Hang loose, wie man dies auf Hawaii nennt. Ich ging hinaus auf den Balkon meines im 6. Stock gelegenen Hotelzimmers, von dem aus ich auf die etwa 1 km entfernte, bereits hell erleuchtet Wechselzone am Pier von Kailua-Kona sowie die Schwimmstrecke blicken konnte, die direkt am Hotel vorbei führte. Der Himmel war sternenklar, was einen sonnigen, heißen Tag erwarten ließ. Egal, mich sollte heute nichts aus der Ruhe bringen. Enjoy and have fun waren die Worte, die mir von vielen Seiten in denn letzen Tagen mit auf den Weg gegeben wurden. Ich ging in den im Freien gelegenen Frühstücksbereich des Hotels, um bei bereits angenehmen gut 20 Grad die Kohlehydratspeicher zu füllen. Überraschenderweise waren auch keine hypernervösen Sportler zu sehen, die normalerweise schon jetzt für eine angespannte Atmosphäre sorgen. Alle noch recht gechillt. Ungewöhnlich, aber sehr angenehm. Mit dem Schwimmbeutel unterm Arm, machte ich mich anschließend auf den Weg zum Bodymarking in den Garten des King Kamehameha Hotels, dem offiziellen Wettkampfhotel direkt am Pier von Kona gelegen. Die stets gut gelaunten Helfer erwarteten die Triathleten bereits. Mit Stempeln wird jedem Teilnehmer die Startnummer auf beide Oberarme gedrückt. Anschließend gehe ich in die Wechselzone, um mein Fahrrad vorzubereiten. Bei Scheinwerferlicht machte sich diese typische Vorstartstimmung breit, die ich bisher noch vor jeder Langdistanz verspürt hatte. Luft aufpumpen, Trinkflasche auffüllen, Salztablettendispenser füllen, Radschuhe, Brille und Startnummer anbringen, ein gewohnter Ablauf. Dann begebe ich mich an die Piermauer, um den Start der Profitriathleten zu erleben. Nach der Nationalhymne werden mit einem lauten Knall die 30 weibliche und 50 männliche Profis kurz nach Sonnenaufgang um 6:30 Uhr ins Rennen geschickt. Ein bewegender Moment eine halbe Stunde vor meinem Start in die Weltmeisterschaft, von dem ich schon lange geträumt hatte. Die Bojen tanzten im Meer, was auf eine Unruhe See hindeutete. Ich stieg in den Pazifik und ordnete mich wohl wissend meiner Schwimmstärke (-schwäche) ziemlich links ein, um der Prügelei beim Massenstart der 1.865 Agegrouper möglichst aus dem Weg zu gehen. Hier war zwar der Weg etwas länger, aber das nahm ich gerne in Kauf. Ich blickte zurück auf die von Zuschauern besetze Piermauer und genoss die tolle Atmosphäre. Überwältigend. Pünktlich um 7:00 Uhr fiel der Startschuss für den längsten Tag des Jahres. 3,86 km schwimmen, 180,25 km Rad fahren und ein anschließender Marathonlauf über 42,2 km lagen vor mir. Mit dem Schwimmen im Meer kam ich besser zurecht, als ursprünglich befürchtet. Beim Atmen genoss ich den Blick in die Morgensonne und sagte mir immer wieder locker bleiben, enjoy and have fun. Aufgrund der Wellen kam man teilweise etwas schlechter vorwärts als man gerne möchte und die richtungweisenden Bojen konnte man in der Ferne nur dann erkennen, wenn man sich beim Blick nach vorne zufällig auf einem Wellenberg befand. Da das Meer jedoch sehr klar war, konnte man sich getrost an den Beinen links uns rechts orientieren und sich die kräftezehrenden Orientierungsblicke nach vorne sparen, dachte ich. Dumm nur, wenn der Schwimmer daneben genauso denkt und dabei nach außen abdriftet. Ein begleitender Helfer im Kajak hinderte uns schließlich daran, dass wir noch weiter in Richtige Australien schwammen. Bis auf diesen Umweg war das Schwimmen ganz entspannt und ohne nennenswerten Körperkontakt verlaufen. Irgendwie hatte ich trotzdem das Gefühl, dass sich der Rückweg wesentlich länger hinzog als der Hinweg, was aber auch an der Meeresströmung liegen konnte. Nach 1:19:30 stieg ich aus dem Wasser. Zugegeben etwas später als ich erwartet hatte. Aber egal, enjoy and have fun dachte ich mir. Ich ergriff meinen Radbeutel und eilte ins Wechselzelt, legte Badekappe, Brille und Schwimmsuit ab und streifte mir Ärmlinge über, die mir beim Rad fahren bei den hohen Temperaturen Kühlung verschaffen sollten. Nebenher wurde ich von einem Helfer an Schulter und Nacken mit Sonnenmilch eingecremt. Dann einmal um die ganze Wechselzone zum Fahrrad gelaufen, Helm Brille und Startnummer angelegt und ab ging es auf die Radstrecke. Die Radstrecke war sehr voll. Ich versuchte ruhig zu bleiben und nicht in Überholaktionismus zu verfallen. Immer schön den vorgeschriebenen Abstand von vier Radlängen einhalten, um keine Zeitstrafe für Drafting zu kassieren. In der Wettkampfbesprechung hatte man uns diesbezüglich vor rigoros durchgreifenden Referees gewarnt. Dementsprechend verhalten fuhr ich an. Ich überholte aber dennoch schon einige Athleten, wurde aber natürlich auch von den üblichen Schnellstartern überholt. Mittlerweile zeigte das Thermometer schon 25 Grad an und die Sonne schien vom wolkenlosen Himmel. Nach einer kleinen Schleife von etwa 15 km in Kailua-Kona ging es über die unter Triathleten schon legendäre Palani Road auf den noch viel legendäreren Queen Kaahumanu Highway in Richtung Norden zum Wendepunkt nach Hawi. Meile um Meile über rolling hills vorbei am Flughafen, in den Wind und die Hitze, rechts die Vulkane, links das Meer dazwischen der Queen-K und ne Menge schwarzer Lava sowie etwas dürre Vegetation, die den Wetterextremen zu trotzen versucht. Die Straße zieht sich durch die Landschaft nicht schnurgerade aber dennoch monoton in Richtung Norden. Der Radkurs ist mit 1.100 Höhenmetern als wellig zu beschreiben, dessen Tücken vielmehr in den Mumukuwinden und der Hitze liegen, die unbarmherzig von den Lavafeldern reflektiert wird. Meine Strategie war es, mich gut und regelmäßig zu verpflegen und mit Wasser für die notwendige Kühlung zu sorgen, um den Puls in Grenzen zu halten. Ich nahm an jeder aid station Wasser auf (in den normalen Flaschen aus dem Supermarkt das war schon ne Überraschung. Hat Powerbar nicht genug Radflaschen geliefert?) und aß stündlich ein Gel und einen Riegel. Auch die Energydrinks wurden nicht in Radflaschen sondern in den ganz normalen Plastikflaschen gereicht. Da auf der Radstrecke alle 11 km eine Verpflegungsstation war, kam ich mit dem Trinken gar nicht so schnell nach, wie ich neues Wasser bekam. So ließ ich ein paar Stationen aus und schüttete zudem viel Wasser über mich und die Ärmlinge, um für ausreichend Kühlung zu sorgen. Je weiter wir uns von Kona entfernten, desto weniger wurden die Zuschauer. Der Wind blies mal von vorne, mal von der Seite und auch mal von hinten. Das geht hier je nach Landschaft wild durcheinander. Ich fuhr ein recht gleichmäßiges Tempo und versuchte den Puls höchstens kurzzeitig über 140 gehen zu lassen. In den Lavafeldern war nun mentale Stärke im Kampf gegen die Uhr, die Hitze und den Wind wichtig. Von Stunde zu Stunde wurde es immer heißer und die letzten 20 km von Kawaihae nach Hawi geht es stetig bergauf. Hier blies uns zudem Gegenwind ins Gesicht, den ich in dieser Stärke noch nicht erlebt hatte. Des einen Freud, des äußeren Leid. Ab dem Wendepunkt ging es dann mit Rückenwind bergab. Bei mir war aufgrund der zu kurzen Übersetzung bei knapp 60 km/h leider Schluss. Auf dieser Passage habe ich viele vorher hart erkämpfte Plätze wieder verloren. Da der Wind teilweise auch von der Seite kam, hatte dieses Teilstück auch etwas von einer Mutprobe. Ein Schlenker bei 60 km/h - wer bleibt auf dem Aerolenker und gibt weiter Gas? Die Meilen flogen nur so dahin, doch leider war dieser Abschnitt auch umso schneller wieder vorbei und auf dem Rückweg von Kawaihae nach Kona folgte der psychisch zermürbendste Teil der Radstrecke. Es gab auf diesem Abschnitt ein bisschen Gegenwind von der Meerseite, die kleinen Anstiege schmerzten inzwischen auch ein wenig und irgendwie zogen sich die letzten 60 km einfach endlos hin. Zudem hatte ich mit brennenden Fußsohlen zu kämpfen. Ein Phänomen, das bei höheren Temperaturen bei mir immer wieder auftritt. Ich musste etwas Druck rausnehmen und kippte mir an jeder Verpflegungsstation eisgekühltes Wasser über die Schuhe, um die Schmerzen etwas zu lindern. Die von meinem Radcomputer erfasste Durchschnittstemperatur von 35 Grad bestätigte mein Gefühl. So rettete ich mich von Station zu Station bis ich nach 5:23:06 endlich die Wechselzone am Pier von Kona erreichte. Helfer nahmen mir mein Rad ab und ich war froh, endlich aus den Radschuhen zu kommen. Mit etwas weichen Beinen ging´s im Laufschritt wieder um die gesamte Wechselzone zu den Laufbeuteln und ins Wechselzelt. Laufschuhe und Kompressionsstrümpfe angezogen, die Eigenverpflegung verstaut und ab ging´s auf die Laufstrecke. In meiner stärksten Disziplin lief ich die ersten Kilometer mit 4:30 min/kmerst mal locker an um zu sehen, wie hoch mein Puls angesichts der Hitze steigt, um nicht gleich von Anfang an zu überpacen. Die Charakteristik der Laufstrecke ist mit 255 Höhenmetern nicht unähnlich zur Radstrecke. Rolling hills noch und nöcher sowie hohe Temperaturen charakterisierten diesen Marathon. Am Ali´i Drive entlang brannte die Sonne unbarmherzig vom Himmel und so gab es bei der ersten aid station gleich einen Dusche mit eisgekühltem Wasser. Zudem schüttete ich mir Eiswürfel vorne und hinten ins Trikot tat das gut! Ich sah, dass durch diese kühlenden Maßnahmen mein Puls sank und ich wieder schneller laufen konnte. An den Verpflegungsstationen, die nun jede Meile auf uns warteten, ging ich deshalb wie folgt vor: 1. nasse Schwämme greifen, um Kopf und Arme zu kühlen, 2. Iso oder Cola trinken 3. Eiswürfel vorne und hinten ins Trikot schütten, 4. Wasser trinken / über den Kopf gießen, 5. alle 20 Minuten ein Isogel. 6. alle halbe Stunde ein Salztablette. So ging es von Station zu Station und ich konnte dabei die Kilometer so um die 4:30 min laufen. Nach 16 km ging es zum zweiten Mal die Palani Road hoch, zu Fuß dauerte es aber jetzt etwas länger als morgens mit dem Rad. Wir hatten an dieser Stelle etwas Rückenwind, was sich schrecklich anfühlte. Der Fahrtwind verschwand somit nämlich völlig, die Hitze stand und die durch den Anstieg erhöhte Intensität tat ihr übriges. Einige gingen hier schon zu Fuß. Oben angekommen führte die Strecke links auf den Queen-K Highway in nördliche Richtung (man lief hier einen Teil der Strecke, den man zuvor schon geradelt war), immer leicht bergauf oder bergab. Es schoben sich nun ab und zu Wolken vor die Sonne, was das Laufen erträglicher werden ließ, sodass ich meine Pace etwas steigern konnte. Einer um den anderen wurde nun eingesammelt. Die Beine fühlten sich gut an und ich war nur noch am überholen. Good job, keep your pace and enjoy the finish riefen mir einige Athleten zu. Bei km 27 ging´s dann hinunter ins wegen der Hitze gefürchtete Natural Energy Laboratory Hawaii zum Wendepunkt der Laufstrecke. Ich rechnete mir die ganze Zeit vor, wie weit ich noch zu laufen hatte und welche Stelle das auf meiner Trainingsrunde wäre. Dann erzählte ich mir, dass das doch nur noch ein Klacks sei und versuchte, das auch zu glauben. Aber irgendwie half das wirklich. Langsam begann ich nun zu rechnen, in welcher Zeit ich denn finishen könnte und realisierte, dass ein sub10 vielleicht doch noch zu schaffen wäre. Von dem Gedanken beflügelt, legte ich noch eine Schippe drauf und zählte die Meilenschilder runter. Noch 50 Minuten anstrengen, noch 40 Minuten noch 30 alles halb so wild, redete ich mir ein. Ich holte immer wieder andere Läufer ein und bei km 40 rannte ich mit allem was ich noch hatte die steile Palani Road runter. Überraschenderweise ging dies ganz gut, keine Krampfansätze, keine Schmerzen nichts. Unten angekommen folgt dann die größte Gemeinheit nur noch 100 m vom Ziel entfernt, mussten wir links auf den Kuakini Hwy abbiegen und noch eine weitere Meile laufen. Dann ging´s rechts die Hualalai Rd hinunter bevor man wieder rechts auf die letzten 400m der Zielgeraden auf den Ali`i Drive einbog. Was dann folgte, ist kaum mehr in Wort zu fassen, das muss man einfach erlebt haben. Johlende Zuschauer säumten den Zielkanal, Mike Reilly´s Stimme (the voice of Ironman) war schon zu hören und langsam gab die letzte Kurve den Blick auf das Ziel frei. Bei mehr als 30 Grad Hitze lief mir ein kalter Schauer vom Kopf bis an die Zehen. Die Emotionen waren nicht mehr zu kontrollieren. Das tägliche Training, das oftmals nur mit viel Mühe um die Arbeit herum organisiert werden konnte, die vielen harten Trainingskilometer, Krankheit, Verletzungen, die Entbehrungen jetzt löste sich alles - der Lohn der harten Arbeit für die letzten 11 Monate stand nun unmittelbar bevor, ich war am Ziel meiner Träume angelangt. Ich genoss den Jubel der Zuschauer im Zielkanal, klatsche die mir entgegen gestreckten Hände ab. Jetzt müsste die Zeit kurz stehen bleiben, dachte ich mir. Schließlich riss die Arme hoch und schreiend vor Glück lief ich über die Ziellinie. MARTIN, YOU ARE AN IRONMAN schallte es aus den Lautsprechern. Ich hätte die Welt umarmen können. Zwei Volunteers empfingen mich und schlossen mich in ihre Arme, schmückten mich mit einem Lei (hawaiische Halskette aus Hibiskusblüten) und der Finishermedaille und begleiteten mich in den Athletes Garden. Die 10-Stundenmarke konnte ich dann doch nicht mehr unterbieten. Mit einer Zeit von 10:03:05 erreichte ich unter 2.045 Startern (davon 165 aus Deutschland) den 484. Gesamtrang und den 92. Platz in meiner Alterklasse. Mit meiner Marathonzeit von 3:07:24 konnte ich sogar einige Profis distanzieren.
Alles in allem bin ich mit meinem Wettkampf sehr sehr zufrieden und einer der glücklichsten Menschen unter der Sonne. I enjoyed and had fun! Die IRONMAN World Championship auf Hawaii, ein Wettkampf mit unglaublichem Flair, für den es sich zu trainieren lohnt. Ein Erlebnis, das bleibenden Eindruck hinterlassen hat.
Ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich bei meinem Verein DJK Teutonia Gaustadt, bei Sport Wagner, den Stadtwerken Bamberg, bei O-Motion und Waffen Rost für die Unterstützung bedanken. Sie haben wesentlich dazu beigetragen, dass ich mir meinen Traum verwirklichen konnte. Nicht zu vergessen meine liebe Frau, die an so vielen Wochenenden auf mich verzichten musste und meine Leidenschaft für diesen Sport immer mitgetragen und unterstützt hat.
Vielen lieben Dank!
Martin
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