38.Rennsteiglauf

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Datum

38.Rennsteiglauf - Supermarathon am 08.05.2010: 72,7 km / 1500 Höhenmeter

Ich hatte mir eine Zeit so zwischen 8 ... 9 h vorgenommen. Wie es bei mir halt immer so ist, gab es zig Gründe, warum mein Training weniger geworden ist, als ich ursprünglich vorhatte.

Voller Vorfreude und Spannung bin ich mit der Bahn am Freitag, 07.05. nach Eisenach gefahren. Der Startplatz ist mitten in der Altstadt, nach ca. 500 m geht die Strecke bereits bergauf. Ich machte noch einen Spaziergang bis zum km 1 des Supermarathons. Mir schien, daß die ganze Stadt nur aus verrückten Sportlern besteht. In der Nacht war ich unruhig und vor meinem Wecker wach. Im Hotel gab es an diesem Tag das Frühstück ab 4:30 Uhr; der Start war um 6:00 Uhr. Am Nachbartisch saß eine Frau, deren Sorge es war, einigermaßen zeitig in Schmiedefeld anzukommen, weil Sie am Sonntag (also am 09.05.) den Marathon in Mainz mitmachen wollte.

Damit war für mich alles klar: Hier gibt es nur total Verrückte !!!!

Das Wetter war Klasse: Früh in Eisenach war es ca. 1 Grad; später so um die 10 Grad. Gut dass ich beschlossen hatte, mein Winter-Radtrikot und meine lange Laufhose anzuziehen.

Noch im Startbereich fiel mir ein Läufer auf, der Sandalen an hatte. Schnell wurde klar was er vorhatte: Er lief BARFUSS (!!!!) und ist sogar angekommen. Ich weiss nur nicht, ob er unterwegs die Sandalen wieder angezogen hat. Zuletzt gesehen habe ich ihn bei km 18 (ich war schneller ;-)) ).

Die Stimmung war ausgezeichnet. Um 6:00 Uhr fiel der Startschuß und ca. 2000 Läufer(innen) setzen sich in Bewegung. Die Strecke geht nach ca. 1 km aus Eisenach hinaus und immer bergauf um auf den eigentlichen Rennsteig zu treffen. Der „Rennsteig-Zubringer“ waren schöne Waldwege und ich genoß das gemächliche Traben. Ich hatte mir vorgenommen, sämtliche Anstiege sehr langsam anzugehen, um bloß keine Energie zu verschwenden.

Nach wenigen km erreichten wir den Rennsteig-Wanderweg: eine Mischung aus Wurzeln, Steinen, Furchen, Schlammlöchern (es hatte zuvor 2 Tage geregnet), Dreck usw. Zu dieser Zeit hatte ich noch keine Ahnung davon, daß sich diese Wegbeschaffenheit auf ca. 60 km nicht wesentlich ändern sollte. Man muß sehr gut aufpassen, wie und wo man den Fuß hinsetzt um nicht umzuknicken.

Die ersten 26 km geht es ständig bergauf. Eisenach liegt auf 210 m NN. Nach 26 km stand ich auf dem Inselsberg mit 916 m NN. Der Anstieg war einfach extrem. Aber es kam noch schlimmer: Der Abstieg nämlich ist fast noch steiler. Auf 1,3 km fällt die Strecke um 170 hm ab. Die Strecke war stellenweise so steil, daß ein Läufer sogar RÜCKWÄRTS hinuntergegangen ist. Ich versuchte es mit extrem kurzen Trippelschritten – die Oberschenkel brannten wie Feuer .....

Die Versorgung auf der Strecke ist einfach Klasse. Alle ca. 5 km ist eine mehr oder weniger große Versorgungsstelle aufgebaut, die von den örtlichen Sportvereinen unterhalten wird. Da gibt es alles, was das Läuferherz begehrt. Ich beschloss an einer Futterstelle den für diesen Lauf bekannten „Schleim“ erstmals einzunehmen. Das ist Haferschleim, trinkbar in den Geschmacksrichtungen Orange, Zitrone und Heidelbeer. Mir war wohl das „Risiko“ bewusst, etwas reinzukippen, daß der Magen so gar nicht kennt – das kann auch schiefgehen. Mir gings aber gut, so daß ich noch öfter zum Schleim gegriffen habe. Das Zeug ist gar nicht schlecht. Vor allem nicht so süß.

Und so ging es weiter. Bei km 30 beruhigte ich mich: Jetzt sind´s ja NUR NOCH 42 KM !!! Im weiteren Verlauf kamen mir die Entfernungen immer länger vor. Es ging durch nebeligen Wald (hatte ich schon die Wurzeln und Steine erwähnt ??), vorbei an eisigen Gassen wo noch Schneereste im Graben waren. Um die nächste Kurve und schon wurde es wieder wärmer. Manchmal konnte ich die Sonne erahnen. Aber der Thüringer Wald machte seinem Ruf alle Ehre. Es war ein Lauf durch einen Zauberwald.

Etwa 30 km vor dem Ziel (also bei 42 km) stellte ich meine Versorgung um: Ich nahm ab diesem Zeitpunkt nur noch Köstrizer Schwarzbier und Cola (jeweils ca. 150 ml). Mit dieser „Bier-Cola-Injektion“ gings dann immer eine zeitlang elanvoll weiter, bis das gute Bier verdampft war und nachgetankt werden musste.

Langsam näherte ich mich dem „Grenzadler“ bei Oberhof. Dort gab es einen legalen Ausstieg bei km 52. Aber ich blieb hart. Aufgeben gibt´s nicht. Ausserdem wollte ich unbedingt das Finisher-Shirt kriegen, und das gibt es nur im Ziel in Schmiedefeld. Also beim Grenzadler an der Versorgung nochmals „tanken“ und weiter geht es.

Die Beine wurden trotzdem immer schwerer, der Puls ging runter. An Bergauf-Joggen war nicht mehr zu denken. Ich versuchte jeweils in flottem Schritt die Steigungen zu nehmen, die sich einfach endlos hinzuziehen scheinen. Dann nur noch 15 km, 10 km – Hoffnung keimt  auf: Komme ich noch unter 9 h an ?? Ich spekuliere: Wenn jetzt nicht mehr soviele Aufwärts-Passagen kommen, dann könnte es klappen.

Etwa 7 km vor dem Ziel biegt die Rennpiste vom Rennsteig-Wanderweg ab in Richtung Schmiedefeld. Da gab es dann wieder Waldwege, die viel angenehmer zum Laufen waren. Je näher ich dem Ziel kam, desto eher war mein Körper und vor allem meine Beine wieder bereit, leichte Steigungen im sanften Galopp zu nehmen. Der Kopf gibt jetzt sämtliche Notreserven zum Verheizen frei.

Der Zieleinlauf in Schmiedefeld war sehr emotional. Ich war überwältigt von der Stimmung und von der Tatsache, daß ich diesen verrückten Lauf tatsächlich geschafft hatte.

Mit einer Zeit von 9 h und 12 min erreichte ich das Ziel und hab damit noch fast mein angepeiltes   Zeitfenster getroffen.

Einen Laufrhytmus kann man bei diesem Lauf einfach vergessen. Auf knapp 73 km ist man ständig dabei, Tempo zu wechseln, bergauf- oder bergab zu Laufen, und vor allem sich darauf zu konzentrieren, dass man nicht umknickt.

Eines steht für mich felsenfest: Das war nicht mein letzter Ultra-Lauf !!!

Hans-Rainer Graf