Marathon-Tourist Uli Walter gönnte sich zur Auflockerung seines USA-Urlaubs am 19.08.2007 einen kleinen Berglauf.
Der Pikes-Peak-Marathon begann genau genommen schon am 01.03.2007 und zwar mit einem Fehlstart. Die Teilnehmer können sich für den Wettbewerb nämlich nur on-line anmelden, und es war bekannt, daß die Startplätze in 2006 bereits nach 23 Stunden vergeben waren. So versuchten zu Beginn der Einschreibfrist mehrere Tausend Läufer gleichzeitig, sich für den Marathon oder den Halbmarathon einzutragen. Das führte sehr schnell zum Zusammenbruch des Servers, so daß die gesamte Prozedur einige Tage später wiederholt werden mußte. Dieses Mal hielt die Technik dem Ansturm stand, und der Marathon war nach 15 Minuten ausverkauft. Für die erste Welle des Halbmarathons dauerte es sogar nur 9 Minuten. Davon können die Veranstalter der meisten deutschen Läufe nur träumen.
Was den Lauf so attraktiv macht, wird spätestens bei einem Blick auf das Höhenprofil klar: Der Start befindet sich in Manitou Springs im US-Bundesstaat Colorado auf einer Meereshöhe von 1.918 Metern (was bereits ausreicht, um untrainierte Flachländer schneller atmen zu lassen) und der höchste Punkt der Strecke (der Wendepunkt des Marathons) liegt 4.299 Meter über dem Meeresspiegel. Die dazwischen liegende Laufstrecke besteht großenteils aus steilen Bergpfaden.
Es liegt auf der Hand, daß auf diesem Kurs keine persönlichen Marathon-Bestzeiten erzielt werden können. Das Rennen ist eher so eine Art amerikanischer Gebirgswandertag. Im Gegensatz zu den großen City-Marathons in New York, Chicago und Boston gibt es hier kaum Teilnehmer, die nicht auf dem nordamerikanischen Kontinent wohnen. So standen unter den 800 Namen auf der Starterliste des Marathons 2007 nur vier Europäer. Dazu mag auch beigetragen haben, daß die Amis zwischen dem ersten und dem zweiten Anmeldetermin auf Sommerzeit umgestellt haben und das bekommt man als Europäer normalerweise nicht mit (wenn man nicht bei Brose arbeitet). Nach einer Stunde war die Anmeldungszeit ja bereits vorüber.
Vielleicht ist die mangelnde Internationalität der Grund, warum für den Marathon mit dem Slogan Americas Ultimate Challenge und nicht mit Der härteste Marathon der Welt geworben wird. Letzteres nimmt der Graubünden-Marathon werbetechnisch für sich in Anspruch. Nachdem Uli beide Läufe innerhalb von zwei Monaten absolviert hat, empfiehlt er Schweizer Organisatoren, einmal in Colorado zu starten. Anschließend werden sie ihren Werbespruch überarbeiten müssen.
Erwähnenswert ist die lange Geschichte des Pikes-Peak-Marathons. Er entstand schon 1956 als Wettbewerb zwischen Rauchern und Nichtrauchern. Die 13 Teilnehmer zahlten jeweils 2$ Organisationsbeitrag und konnten immerhin 400 Zuschauer an die Strecke locken. Obwohl sich die drei Raucher bergauf wohl noch ganz achtbar schlugen, erreichte keiner von ihnen das Ziel. Sollte uns das zu denken geben?
Nicht nur in gesundheitspolitischer Hinsicht war der Pikes-Peak-Marathon schon immer vorbildlich auch die Beteiligung von Frauen war von Beginn an erlaubt. In Boston wurden Frauen erst 1972 offiziell zugelassen. Heute liegt die Frauenquote in Colorado bei 25% und damit deutlich höher als bei deutschen Marathons.
Die Lobeshymne kann eigentlich auf die gesamte Organisation des Marathons ausgedehnt werden. Die freundlichen Helfer sorgten nicht nur für eine Pasta-Party ohnegleichen, sondern auch für einen perfekten Rennablauf und eine erstklassige Versorgung im Ziel.
Gleich zu Beginn des Rennens zeigt sich, daß die Veranstalter nicht umsonst so reichhaltig Kohlehydrate zur Verfügung stellen. Ab Meile 2 geht es sehrsteil bergauf. Die Meilen 5 bis 8 führen dagegen wieder angenehm flach durch den Wald, teilweise sogar bergab. Das sind die Stellen, die die Läufer auf dem Rückweg hassen werden. Meilen 9 und 10 führen zwar weiterhin durch den Wald, nun aber spürbar nach oben. Die letzten drei Meilen unterhalb des Gipfels sind wirklich hart. Es geht einen steilen Bergpfad hinauf, nun oberhalb der Baumgrenze und ohne Schatten, und die Luft wird merklich dünner. Jetzt wird auch klar, warum der Veranstalter taking oxygen on the course explizit als Disqualifikationsgrund angibt. Eine Sauerstoffflasche wäre nun extrem hilfreich. Als Entschädigung können die Läufer jedoch den sagenhaften Blick ins Tal genießen.
Zu Beginn der Downhill-Hälfte merkt Uli, daß ihn der Aufstieg etwas mitgenommen hat. Er stolpert über jeden Stein und bleibt an jeder Wurzel hängen. Glücklicherweise kann er einen Sturz vermeiden, andere Läufer tragen dagegen schmerzhafte Blessuren davon. Im unteren Teil des Waldes wird die Strecke etwas einfacher, aber dafür herrschen hier 30 Grad und mehr. Um so glücklicher sind alle, die schließlich unter Aufruf ihres Namens im Ziel empfangen werden.
Der Streckenrekord war 2007 nicht wirklich in Gefahr. Lokalmatador Matt Carpenter benötigte im Jahre 1993 sagenhafte 3:16:39. 2007 gewann er wieder einmal, aber jetzt reichten ihm 3:48:41 zum Sieg. Nach dieser Zeit hatten die meisten Läufer noch nicht einmal den Gipfel erreicht. Die ebenfalls aus Colorado stammende Salynda Fleury beherrschte die Damenkonkurrenz in 5:00:42. Die Damenbestzeit stammt noch von 1981, als Lynn Bjorklund die Strecke in 4:15:18 bewältigte. Uli schaffte die Strecke in 6:24:57 und freute sich darüber, daß er sich als 28. unter 98 Teilnehmern seiner Altersklasse trotz der ungewohnten Höhenluft im ersten Drittel plazieren konnte.
Übrigens kann sich selbst der letzte Finisher damit trösten, daß er mehr erreicht hat als Zebulon Montgomery Pike, nach dem der Gipfel benannt wurde. Leutnant Pike mußte seinen Besteigungsversuch 1806 nämlich wegen Schneefalls abbrechen.
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