Chiemgauer 100

Gespeichert von Jens Müller am/um Mi., 26.08.2020 - 10:52
Datum

Hart, härter, Chiemgauer 100 oder sollte ich sagen heiß, heißer, Chiemgauer 100. Es war ein sehr hartes Rennen an einem sehr heißen Tag, das alles von den Läuferinnen und Läufern abverlangte. Corona bedingt war der Lauf einer der ganz wenigen, die 2020 stattfinden konnten. Eigentlich sollte auch die Deutsche Meisterschaft im 100 km Berglauf ausgetragen werden. Da alle Meisterschaften in dem Jahr abgesagt wurden, fand auch diese nicht statt.

Im Januar hatte ich Glück und bekam einen Startplatz. Nun stand mein großes Ziel für 2020 fest, auf das ich trainieren wollte. Dazu waren einige Marathons und Ultras, wie der U.TLW im Vorfeld geplant. Leider wurden alle Läufe abgesagt und ich musste mich alleine auf den 100 km Lauf vorbereiten, was ganz gut klappte.

Am Tag vor dem Lauf fuhr ich ins Chiemgau und genoss noch einen herrlichen Tag am Königssee, bevor ich meine Startunterlagen in der Eishalle in Ruhpoling abholte. Um 5 Uhr sollte der Start erfolgen, der Corona bedingt in Kleingruppen mit jeweils 20 Läuferinnen und Läufern erfolgen sollte. Ich wählte die Startgruppe 3, was dem Mittelfeld entsprach. Beim Start ging alles ganz schnell. Aufstellen und schon ging es los. Zum Warm werden liefen wir eine etwa 3 km lange Schleife durch den Ort, der um diese Uhrzeit noch recht verschlafen war. Bei Brandl ging es auf einen Wanderweg und der erste Anstieg folgte. Auf gut laufbaren Wegen ging es nach Oberhausen und wir überquerten die B305. Etwa ab km 15 stieg die Strecke kontinuierlich an und wir überschritten erstmals 1000 Meter ü.d.M. und liefen auf schönen, aber anspruchsvollen Singletrails am Seßseekopf vorbei bevor es anschließend wieder auf etwa 700 Meter bergab ging. So umrundeten wir den Rauschberg und es ging zurück zum Start im Eisstadion, wo eine erste Versorgungsstation auf uns wartete. Die kurze Pause tat gut, waren doch schon 30 km gelaufen. Zur Cut Off-Zeit hatte ich 30 Minuten Luft.

Die zweite Runde führte uns nun an Wiesen entlang Richtung Stockreit und Weingarten zum Unternberg. Es war noch vor 10 Uhr morgens, aber die Sonne brannte bereits und es ließ sich erahnen, welche Hitze uns im Laufe des Tages erwarten würde. Von Weingarten ging es steil bergauf, anfangs durch den Wald und später stiegen wir in der Sonne die Skipiste bis auf über 1.300 Meter ü.d.M. hoch. Nun hieß es durchatmen und wieder loslaufen. Wir liefen anfangs auf einem breiteren Weg wieder bergab und erreichten bei km 40 die Brandner Alm, von der aus sich der nächste Anstieg bereits abzeichnete: die Hörndlwand

Die Kappe im Brunnen nochmal mit Wasser tränken und weiter ging es. Es wurde ein steiler und sehr anspruchsvoller Anstieg. Die Wege waren schmal, anfangs im Wald, was etwas Schatten brachte. Unterhalb der Wand verließen wir den Wald und stiegen zwischen Sträuchern auf der Sonnenseite über Felsen hoch. In Serpentinen ging es immer weiter bergauf, wobei ich kurze Verschnaufpausen einlegte. Hatte man weiter unten noch mit anderen Läuferinnen und Läufern geredet, wurde es nun immer stiller. Alle konzentrierten sich auf ihren eigenen Aufstieg. Aber das Ende kam in Sicht und oben erwartete uns eine Getränkestation, die sehr wichtig war! Etwa zur Marathondistanz waren wir auf über 1.600 Meter knapp unterhalb der Hörndlwand. Trinken und Durchatmen… Puh! Der erste sehr große Anstieg ist geschafft!

Schön langsam machte ich mir wg. der Cut Off-Zeiten etwas Sorgen, da ich inzwischen über 6 Stunden unterwegs war und noch der Anstieg zum Hochfellen folgen sollte. Inzwischen hatte ich von anderen gehört, dass man die Strecke auf 85 km abkürzen konnte und trotzdem in die Wertung kommt. Noch war dieser Gedanke nichts für mich, ich wollte die 100 km laufen.

Natürlich folgt nach einem Anstieg auch wieder ein Abstieg und der von der Hörndlwand sollte heftig werden. Anfangs ging es noch ganz gut, aber es folgten große Felsen, von denen wir runtersteigen mussten und das Gelände war sehr steil. In einem Zick-Zack ging es quer zum Hang abwärts. Etwa auf halber Höhe spürte ich einen Krampf im Oberschenkel und ich musste eine Pause einlegen. Der Schmerz hielt an und es dauerte bis ich wieder weiterlaufen konnte. Umso erleichterter war ich, als ich unten ankam und es auf einem breiteren Forstweg entspannt weiter ging. Nahe der Röthelmoosalm wartete auch schon die nächste Versorgungsstation. Etwa 5 Minuten gönnte ich mir mit Getränken und Essen, bevor der nächste Anstieg folgte. Ein Anstieg, der nicht enden wollte. Von knapp 900 Meter ü.d.M. ging es etwa 5 km bis über die Jochbergalm auf etwa 1300 Meter ü.d.M. hoch. Durch den einfacheren Weg, war dieser Anstieg glücklicherweise nicht so kräftezehrend, wie zuvor. An der Jochbergalm gab es wieder Getränke, die sehr guttaten.

Nach dem langen Anstieg folgte erneut ein Abschnitt, auf dem es bergab ging. Wir liefen an der Grundbachalm und der Bischoffsfellnalm vorbei und erreichten etwa bei km 60 bei Kohlstadt eine weitere Versorgungsstation. Die Beine waren bereits sehr schwer und das Sitzen tat gut, wobei das Aufstehen nicht mehr sehr leicht viel. Nach Überqueren der weißen Ache folgte nochmals ein schwieriger Anstieg: entlang eines sonnigen Hanges ging es steil bergauf zur Bründlingalm und der Mittelstation der Hochfelln Seilbahn. Zu diesem Zeitpunkt stand für mich bereits fest, dass ich den Anstieg zum Hochfelln nicht mehr bewältigen will und kann. Ich wollte die Strecke auf 85 km verkürzen.

In „großen“ Schritten ging es nun Richtung Maria Eck bei etwa km 70, wo die Läuferinnen und Läufer von den Gästen im Gasthof lautstark beklatscht wurden. Inzwischen war es etwa 19.30 Uhr und ich war seit über 14 Stunden unterwegs. Weiter! Es muss weiter gehen… Bei km 72 erreichte ich die nächste Versorgungsstation in Oberscharam, wo vor einer Garage Bierbänke aufgebaut waren. Hier war meine Motivation ziemlich im Keller, alles schmerzte und ein Gewitter zog auch noch auf. Die Batterie meines GPS-Trackers war inzwischen leer. Ich konnte mich doch noch einmal aufraffen und stand wieder auf. Es ging wieder weiter! Schön langsam neigte sich der Tag und die Dämmerung begann. Eigentlich war mein Ziel, bei Tageslicht ins Ziel zu laufen, aber daraus wurde nichts. Es wurde kühler und das Gewitter kam näher und schließlich begann es zu regnen, was für die Motivation nicht besonders förderlich war. Hoch über der weißen Traun verlief die Strecke am Waldrand Richtung Obergschendt und Hinterreit, wo aus den Gärten und von den Balkonen Applaus uns anfeuertet. Das tat gut! Der Akku meiner Fenix hatte sich bereits vor einigen Kilometern verabschiedet. Etwa bei km 80 folgte bei Egg eine letzte Versorgungsstation, die in einer Garage aufgebaut war. Inzwischen war es etwa 21.30 Uhr und meine Motivation war im Keller. Ich konnte mich kaum noch aufraffen, die letzten 5 km weiterzulaufen. Während ich so da saß kamen 2 100 Meilenläufer, die auch verkürzten. Die beiden zogen mich mit und so liefen wir die letzten Kilometer gemeinsam. Anfangs folgte nochmals ein schwieriger Abstieg, der durch den inzwischen nassen Untergrund noch anspruchsvoller wurde. Durch die stockfinstere Nacht ging es nun im Licht der Stirnlampen dem Ziel am Eisstadion entgegen.

Um 22.53 Uhr war es dann soweit: ich lief durch das Ziel am Eisstadion. Ich hatte es geschafft! Völlig fertig, aber glücklich! In Egg hätte ich nicht mehr daran geglaubt, das Ziel zu erreichen, aber der Kopf hat doch mitgespielt. Allerdings ein Weizen wollte ich nicht mehr… mir war kalt und ich wollte nur noch ins Hotel. Daher nahm ich nur mein Shirt in Empfang, gab meinen GPS-Tracker ab und stieg ins Auto und freute mich auf eine Badewanne und das Frühstück am nächsten Morgen.

Nach einer etwas unruhigen Nacht sah die Welt am nächsten Tag schon wieder besser aus und ich ging an der Kampenwand wandern.

Der Chiemgauer 100 war mein anspruchsvollster Lauf, bei dem ich bis jetzt gestartet bin. Ich hätte diesen nicht so anstrengend eingeschätzt. Die vielen schmalen Trails waren genial, aber diese in Kombination mit den vielen Anstiegen kosteten sehr viel Kraft. Zudem erschwerten die hohen Temperaturen von bis zu knapp 30 Grad den Lauf. Rückblickend ein sehr schöner Lauf, wobei ich nicht sicher bin, ob ich nochmals starten würde.

Mehr Fotos findet ihr bei Facebook unter: https://www.facebook.com/media/set/?vanity=running.bernd&set=a.2668877233369801